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Kampf gegen überschüssige Pfunde: Droht Werbeverbot für Junkfood?

Droht Werbeverbot für Junkfood?Kampf gegen überschüssige Pfunde: Droht Werbeverbot für Junkfood? - Bild: © Drobot Dean #130985475 – stock.adobe.com

Bundesernährungsminister Cem Özdemir von den Grünen möchte zukünftig auf Kinder fokussierte Werbung für ungesunde Nahrungsmittel verbieten. Diese Entscheidung befürworten viele Experten, jedoch nicht die FDP.

Weitreichende Verbote

Damit sich Kinder zukünftig nicht mehr von Werbung für ungesunde Nahrungsmittel angesprochen fühlen, sprach sich Özdemir für ein weitreichendes Verbot von an Kinder gerichtete Junkfood-Werbung aus. Während viele Fachleute diese Aussage lobten, kündigte die FDP – Koalitionspartner der Grünen – Widerstand an.

Wenig Anklang fand die Entscheidung ebenfalls in der Werbe- und Lebensmittelwirtschaft.

Werbung für ungesunde Nahrungsmittel
Damit sich Kinder zukünftig nicht mehr von Werbung für ungesunde Nahrungsmittel angesprochen fühlen, sprach sich Özdemir für ein weitreichendes Verbot von an Kinder gerichtete Junkfood-Werbung aus – Bild: © Prostock-studio #374856958 – stock.adobe.com

Sind strikte Regelungen zwingend erforderlich?

Wie der Politiker vor einigen Tagen in Berlin verlauten ließ, hätten freiwillige Selbstverpflichtungen der Werbewirtschaft bislang nicht den erhofften Effekt erzielt. Aus dem Grund bedürfe es einer strikten Regelung. Ein allgemeines Werbeverbot sei zwar laut Özdemir nicht notwendig. Allerdings darf sich Werbung auch nicht gezielt an junge Generationen richten. Der Vorschlag des Politikers sieht vor, dass das Werbeverbot für Fernseh- und Radiosendungen sowie Internet-Netzwerke wie YouTube von 6 bis 23 Uhr gelten solle.

Zusätzlich sollen von dem Werbeverbot in der Presse publizierte Anzeigen betroffen sein, deren Aufmachung sich offensichtlich ebenfalls an Kinder richtet. Außerdem soll Außenwerbung für Süßigkeiten und andere ungesunden Lebensmittel in der Nähe von Schulen sowie anderen Einrichtungen untersagt werden, in denen sich Kinder häufig aufhalten. Zudem ist von neuen Sponsoring-Vorgaben für Vereinssport die Rede.

Eine Frage der Definition

Genaue Definitionen sind zu der Frage erforderlich, wann sich Werbung explizit an Kinder richtet. In den Augen von Özdemir sind die Anforderungen an auf Kinder ausgerichtete Werbung bereits erfüllt, wenn Kinder die Werbemaßnahmen bewusst wahrnehmen können.

Für eine Definition von ungesunden Nahrungsmitteln schlägt Özdemir Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO als Grundlage vor.

Die Pläne befürwortete unter anderem Ursula Felderhoff-Müser, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Die Medizinerin betonte, dass viele Ärzte, Verbraucherorganisationen sowie wissenschaftliche Fachgesellschaften seit langer Zeit eine derartige Regelung forderten.

Werbung explizit an Kinder gerichtet
Genaue Definitionen sind zu der Frage erforderlich, wann sich Werbung explizit an Kinder richtet – Bild: © Miljan Živković #348373348 – stock.adobe.com

Ein „großer Wurf“

Zustimmung gibt es ebenfalls von seiten der Deutschen Adipositasgesellschaft, der zufolge Özdemir mit dem Vorschlag ein „großer Wurf“ gelungen ist. Weil immer mehr Kinder von Adipositas betroffen sind, forciere die Werbung auch einen ungesunden Ernährungsstil.
Positive Reaktionen gibt es ebenfalls durch den WWF, die Verbraucherzentrale Bundesverband und die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten, die Özdemirs Äußerungen ebenfalls als „Meilenstein“ zur Bekämpfung von Übergewicht betrachten.

Typisches Medienverhalten von Kindern

Laut aktuellen wissenschaftlichen Studien schauen Kinder unter 14 Jahren nicht vorzugsweise Cartoons. Stattdessen erfreuen sich Übertragungen von Fußballspielen oder Familienshows bei dieser Altersgruppe sehr großer Beliebtheit. Aus dem Grund fordern Politiker ein, die Werbebeschränkung nicht auf das Medienumfeld von Kindersendungen zu beschränken.

Für den nächsten Schritt kündigte Cem Özdemir an, zeitnah eine Ressortabstimmung einzuleiten – auch wenn politischer Widerstand droht.

Daraufhin gab Gero Hocker als agrarpolitischer Sprecher der FDP zu verstehen, dass Özdemir innerhalb der Ampel für seine Vorschläge „keine Mehrheit“ finden werde. In den Augen des Bundestags-Fraktionsabgeordneten verfolge Özdemir mit der Initiative das Ziel, „aus jedem unmündigen Kind einen unmündigen Bürger“ werden zu lassen.

Typisches Medienverhalten von Kindern
Laut aktuellen wissenschaftlichen Studien schauen Kinder unter 14 Jahren nicht vorzugsweise Cartoons – Bild: © Myst #71911913 – stock.adobe.com

Unterstützung von Karl Lauterbach

Demgegenüber betonte Gesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD im Rahmen einer Stellungnahme auf Twitter, auch Özdemirs Standpunkt zu vertreten. Seiner Meinung nach sei es zwingend erforderlich, auf Kinder ausgerichtete Werbung für ungesunde Nahrungsmittel zu verbieten.
Demgegenüber vertritt SPD-Chefin Saskia Esken den Standpunkt, dass es die Aufgabe der Eltern sei, dass die Kinder ungesunde Lebensmittel gar nicht erst erhalten.

Unklarheiten erzeugen Verwirrung

Zu diesem Thema gab die Lebensmittelindustrie zu verstehen, dass von der WHO erstellte Kriterien über die Qualität von Lebensmitteln völlig „intransparent“ sind.

Ihrer Aussage zufolge existieren keinerlei belastbare wissenschaftliche Studien, die Effekte von Werbebeschränkungen auf die Ernährung oder das Risiko von kindlichem Übergewicht überzeugend darlegen.

Als Beweis führte der Verband Großbritannien an. In dem Land bestehen derartige Werbeverbote seit etwa 15 Jahren. Dennoch bewegen sich die Übergewichtsraten in Großbritannien nach wie vor auf einem konstant hohen Niveau.

Einschränkungen für viele Medienformate

Würde Özdemir seine Vorschläge über Werbeverbote durchsetzen, wären jedoch rund 70 Prozent aller Produkte betroffen. Erweitern sich die Einschränkungen ebenfalls auf Social Media, klassisches Sportsponsoring und beliebte Samstagabend-Shows, hätte die Maßnahme automatisch folgenschwere Konsequenzen für Deutschlands Sport-, Medien- und Kulturindustrie.
Dieser Argumentation schließt sich der Zentralverband der Werbewirtschaft an. Vertreter des Verbands betonen, dass die Pläne des Grünen-Politikers zu einem „weitgehenden Totalverbot für Lebensmittel“ führen. Infolgedessen erhöht sich das Risiko einer drastischen Überregulierung.