Finanzen

Widerrufsrecht bei Lebensversicherungen: Regelungen für Policen von 1994 bis 2007

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Nahezu jeder Haushalt in Deutschland hat eine Lebensversicherung. Hohe Abschlusskosten und schlechte Anlagerenditen sind jedoch zumeist der Grund dafür, weshalb Renditen zumeist längst nicht die prognostizierte Höhe erreichen. Diese fehlenden Renditen sind auch dafür verantwortlich, weshalb rund 50 Prozent aller Verträge vorzeitig beendet werden.
Eine Kündigung der Versicherungsverträge ist keine lukrative Lösung, da Versicherungsnehmer nur den Rückkaufswert erhalten. Höhere Summen winken bei einem Widerruf sowie der damit verbundenen Rückabwicklung der Police.

Wer darf seine Lebensversicherung widerrufen?

Nach Abschluss einer Lebensversicherung haben Versicherte oftmals ein Widerrufsrecht. Gemäß § 152 VVG besteht innerhalb von 30 Tagen die Möglichkeit, den Versicherungsvertrag zu widerrufen. Bei einer fehlerhaften oder unvollständigen Vertragsinformation setzt die Widerrufsfrist gar nicht erst ein.

Wurden die Verträge zwischen dem 29. April 1994 und 31. Dezember 2007 abgeschlossen, besteht anstatt einer Widerrufsmöglichkeit ein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht.

Der Bundesgerichtshof sprach sich mittlerweile mehrfach für die Altverträge aus, so dass Kunden noch einige Jahre später ihre Vereinbarungen rückabwickeln können. Laut Lebensversicherung BGH Urteil IV ZR 76/11 vom 7. Mai 2014 oder den Aktenzeichen IV ZR 384/14 oder IV ZR 448/14 besteht dieser sogenannte Widerrufsjoker, da die Versicherungen ihre Kunden damals nicht oder nur fehlerhaft über ihre Rechte belehrt hatten.

Wer darf seine Lebensversicherung widerrufen?
Wer darf seine Lebensversicherung widerrufen? – Bild: © nmann77 #99290692 – stock.adobe.com

Geringere Rückzahlungen bei einer Kündigung

Eine Rückabwicklung kann sich lohnen, da Versicherungsgesellschaften bei einem Widerspruch höhere Beträge als bei einer Kündigung zurückzahlen müssen. Bei einer Kündigung erhalten Versicherungsnehmer ausschließlich den Rückkaufswert. Auch nach vielen Jahren gilt ein Widerspruch noch als rechtsmissbräuchlich, falls im Vertrag rein formale Fehler bestehen.

Entstehen durch diesen Makel jedoch keine Nachteile, liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor. Deshalb ist ein Widerspruch ausgeschlossen. Letztendlich entscheidet jedoch der Einzelfall darüber, ob der Einwand des Rechtsmissbrauchs oder einer Verwirkung als zulässig gilt. Eindeutige Urteile zu dieser Thematik liegen bislang noch nicht vor.

Geringere Rückzahlungen bei einer Kündigung
Geringere Rückzahlungen bei einer Kündigung – Bild: © Delux #44716590 – stock.adobe.com

Ist ein Widerruf möglich? Betroffene Versicherungsverträge im Überblick

Generell sind Renten- und Lebensversicherungen betroffen, die Versicherungsnehmer zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 laut dem sogenannten Policen-Modell abgeschlossen haben. Gemäß Policen-Modell erhielten Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss vor oder während der Antragstellung nicht alle notwendigen Verbraucherinformationen.

Diese Informationen gingen den Versicherten erst im Nachhinein mit Ausfertigung der Versicherungspolice zu.

Nach dem Vertragsabschluss wäre die Versicherung verpflichtet gewesen, alle notwendigen Unterlagen zuzusenden und detailliert über das Widerspruchsrecht zu belehren. Weil Versicherungsgesellschaften diese Maßnahmen jedoch oft nicht eingehalten haben, begann die Widerspruchsfrist auch nicht.

Regelungen zu Verträgen nach Antragsmodellen

Haben Versicherungsnehmer bereits beim Antrag alle wichtigen Verbraucherinformationen und Versicherungsbedingungen erhalten, wurde die Vereinbarung nach dem sogenannten Antragsmodell abgeschlossen. Hierbei besteht anstatt eines Widerspruchsrechts ein Rücktrittsrecht. Von diesen Vereinbarungen können die meisten Versicherungsnehmer heute noch immer zurücktreten.
Für einen möglichen Rücktritt ist auch in diesem Fall entscheidend, inwiefern die Belehrung in ausreichendem Maße stattfand. Beispielsweise haben Versicherungsgesellschaften nicht alle Anforderungen erfüllt, falls die Belehrung drucktechnisch nicht ausreichend gekennzeichnet wurde. In dem Fall besteht ein ewiges Rücktrittsrecht.

Regelungen zu Verträgen nach Antragsmodellen
Regelungen zu Verträgen nach Antragsmodellen – Bild: © joyfotoliakid #211560957 – stock.adobe.com

Widerspruchsrecht je nach Art der Versicherung

Für den Widerspruch ist es unerheblich, ob Versicherte einen Vertrag ohne Fondsanlage oder eine fondsgebundene Vereinbarung abgeschlossen haben. Versicherungsnehmer können vorzugsweise Riester- und Rürup-Verträge aus benanntem Zeitraum rückgängig machen.

Bei Risikolebensversicherungen oder Berufsunfähigkeitspolicen ist ein Widerspruch zumeist nicht sinnvoll.

Darüber hinaus sind die Policen oftmals ein wichtiger Schutz, auf den Versicherte nicht verzichten sollten. Ein Widerspruch kommt deshalb nur dann für die Versicherungen infrage, die einen Neuvertrag zu verbesserten Bedingungen abschließen möchten. Das Widerspruchsrecht erstreckt sich auf noch laufende, regulär abgelaufene oder bereits gekündigte Versicherungsverträge.

Finanzielle Aussichten

Nach einem erfolgreichen Widerspruch erhalten Versicherungsnehmer die eingezahlten Beträge zurück. Generell besteht ein Anspruch auf einen sogenannten Nutzungsersatz. Demzufolge müssen Versicherer die Summen erstatten, die mit Beiträgen des jeweiligen Kunden Zinsen erwirtschaftet wurden.

Betroffene müssen jedoch nachweisen, dass der Versicherer aus dem Kapital einen finanziellen Vorteil erwirtschaftet hat. Deshalb dürfen Versicherte nicht einen willkürlich festgelegten Betrag einfordern. Auf Abschluss- und Verwaltungskosten sowie den Risikoanteil muss die Versicherungsgesellschaft keinen Nutzungsersatz erstatten.

Im Falle einer fondsgebundenen Versicherung bilden die aus der Anlage des Sparanteils erzielten Gewinne alle tatsächlich gezahlten Nutzungen. Außerdem steht es den Versicherungsunternehmen frei, von allen eingezahlten Beträgen einige Posten wie Steuern oder Risikoanteile abzuziehen.

Finanzielle Aussichten
Nach einem erfolgreichen Widerspruch erhalten Versicherungsnehmer die eingezahlten Beträge zurück – Bild: © weyo #94624654 – stock.adobe.com

Wann sollten Versicherte der Lebensversicherung widersprechen?

Einer Faustregel zufolge lohnt sich ein Widerspruch umso eher, desto jünger die Vereinbarung mit der Versicherung ist. Diese Regelung bezieht sich vor allem auf zwischen 2005 und 2007 abgeschlossene Verträge, deren Auszahlung generell nicht mehr steuerfrei ist.

Zudem liegt die Anfangsphase noch nicht so lange zurück, in welcher die Abschlusskosten abgezogen wurden.

Aus dem Grund ist der derzeitige Vertragswert zumeist geringer als investierte Beträge.

Vorsicht bei älteren Verträgen

Bei in den 1990er Jahren abgeschlossenen Verträgen ist bei einem Widerspruch ebenfalls besondere Vorsicht gefragt. Trotz hoher Abschlusskosten erscheinen die Verträge zumeist lukrativ. Weiterhin profitieren Versicherungsnehmer von steuerfreien Auszahlungen.
Im Gegensatz zu heutigen Verträgen sind typische Kapitallebensversicherungen aus dem damaligen Zeitraum sehr hoch verzinst.

Widerspruch bei älteren Verträgen
Bei in den 1990er Jahren abgeschlossenen Verträgen ist bei einem Widerspruch ebenfalls besondere Vorsicht gefragt – Bild: © VRD #170416633 – stock.adobe.com

Besonderheiten von Riester-Verträgen

Bei der Rückabwicklung eines Riester-Vertrags werden bereits ausgezahlte Steuerrückzahlungen und Zulagen automatisch abgezogen. Dennoch lohnt sich möglicherweise auch bei einer Riester-Rentenversicherung ein nachträglicher Widerspruch.

Gute Erfolgsaussichten bei geringem Risikoanteil

Ein Widerspruch lohnt sich in erster Linie für Verträge, die einen Versicherungsschutz bei Berufsunfähigkeit, Unfällen oder im Todesfall einschließen. Die Versicherungsgesellschaften sind berechtigt, den Risikoanteil bei einer Rückabwicklung von eingezahlten Prämien abzuziehen.

Was tun bei einem Zusatz für Berufsunfähigkeit?

Versicherungsnehmer sollten sich einen Widerspruch genau überlegen, falls die Vereinbarung mit einer Zusatzversicherung gegen Berufsunfähigkeit kombiniert ist. Dieser Fall tritt ein, falls bei Berufsunfähigkeit eine monatliche Rente ausgezahlt wird.

Diese Zusatzversicherung ist unter Umständen sehr wichtig. Um den Versicherungsschutz aufrechtzuerhalten, sollten Versicherte dem Vertrag nicht widersprechen.

Alternativ ist es besser, den sogenannten Sparanteil als Beitrag zur Hauptversicherung zu minimieren. In dem Fall würden Versicherte die Lebensversicherung nicht weiter bedienen.

Einen Widerspruch durchsetzen – so funktioniert’s

Die Durchsetzung eines Widerspruchs erfolgt in mehreren Schritten. Zu Beginn ist eine fachmännische Überprüfung der Unterlagen sinnvoll, die unter anderem durch versierte Rechtsanwälte oder die Verbraucherzentrale möglich ist. Daran schließt sich eine Bewertung zu der Frage an, ob sich der Widerspruch für den eigenen Vertrag lohnt. Erscheint der Widerspruch sinnvoll, ist es wichtig, das Schriftstück als Einwurf-Einschreiben zu versenden. Stimmen die Empfänger dem Widerspruch nicht zu, kontrollieren sogenannte Versicherungsombudsmänner noch einmal erneut, ob die Versicherungsunternehmen die Widersprüche zu Unrecht abgelehnt haben.

Im Zweifelsfall können Betroffene eine Anwaltskanzlei mit der Durchsetzung des Widerspruchs beauftragen. Dennoch sollten Versicherte wissen, dass Klagen zur Durchsetzung von Widersprüchen vermehrt scheitern. Diese Tendenz zeichnet sich ab, weil immer mehr Instanzgerichte die Ansicht vertreten, dass der Widerspruch generell als rechtsmissbräuchlich gilt oder Verwirkung eingetreten ist.